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Das erste Mal – oder warum ich so am Kleiderbügel hänge

27. September 2014

Fehmarn. Die Brücke. Damals. Heute.

Wer erinnert sich nicht an “das erste Mal”? Bevor der Leser jetzt sonst was denken – oder sicher erinnern mag: bei allem was wir tun gibt es viele “erste Male”. Ich meine meine erste Fahrt über die Fehmarnsundbrücke. Das war, ich schätze, 1964, folglich war ich fünf. Mein Vater zeigte mir die alten Fähranlagen, wo sie bei früheren Besuchen auf der Insel angekommen sind – und die Stelle, wo mein Onkel mit dem Auto in den Graben gefahren ist. Spätestens in dem Moment war ich froh, dass es nun die Brücke gibt: weil dann fährt man nach dem Verlassen der Fähre nicht das Auto kaputt. Gedanken eines kleinen Jungen, der bis dahin nur die Brücke über den Mittellandkanal bei Peine kannte. Damals.

Fehmarnsundbruecke-130630-287-b600

Aufnahme(n) vom letzten Jahr (2013)

Heute, seitdem ich gefühlte “tausendmal” über die Brücke gefahren bin, die wegen ihrer Form liebevoll “Kleiderbügel” genannt wird, weiß ich, dass sie nicht mehr “ganz frisch” ist und so etwas mit diesen Blumen am Strand gemein hat.

Fehmarnsundbruecke-130630-296-b600

Ich mag den “Kleiderbügel”. Vielleicht, weil ich mit der Fahrt über die Brücke auf die Insel stets etwas Positives verbunden haben: “Tschüss Alltag!” In dem Sinne ist sie für mich so etwas wie ein Wahrzeichen geworden – und ein Wahrzeichen ist sie besonders für die Fehmaraner.

Fehmarnsundbrücke-130821-101-b600

Fehmarn. Ein Tunnel. Zwei Brücken. Zukunft! Zukunft?

Mit der Fertigstellung der Fehmarnsundbrücke 1963 wurde auch die sogenannte “Vogelfluglinie” in Betrieb genommen: per Fähre ging und geht es auch heute noch auf der anderen Inselseite weiter von Fehmarn-Puttgarden rüber über den Fehmarnbelt nach Dänemark-Rødbyhavn. Fehmarn, das Tor nach Skandinavien.

Fehmarnbeltbrücke-Karte-b600[Wikipedia]

Bild-Quelle: Wikipedia (wie alles in braun mit Wikipedia verlinkt ist)

Seit vielen Jahren gibt es allerdings die Idee, Fehmarn und Dänemark nicht weiter mit Fähren, sondern mit einer “Festen Fehmarnbeltquerung” (FBQ bzw. FFBQ) zu verbinden. Erst war eine Brücke angedacht, später wurde ein Tunnel als günstiger erachtet.

Folgendes sollte der Leser dazu wissen:

  • Wir sprechen über knapp 19 km zwischen Fehmarn und Dänemark.
  • Der Vertrag zwischen Dänemark und Deutschland wurde 2009 vom Bundestag / Bundesrat ratifiziert.
  • Die Dänen bauen den Tunnel, bezahlen ihn und refinanzieren die Kosten (Schätzung 2008 (!): 5,5 Mrd €) über Mauteinnahmen.
  • Der ursprüngliche Zeitplan wird immer weiter nach hinten verschoben, mittlerweile hoffen die Dänen im nächsten Jahr (2015) mit dem Bau beginnen und 2021 den Tunnel in Betrieb nehmen zu können, teilweise wird auch schon von 2022 gesprochen (vor Jahren wurde noch 2018 angepeilt).
  • Entgegen früheren Äußerungen, dass die Beltquerung Deutschland “nichts kosten” würde, reden wir nun doch über Milliarden: eine neue Bahnstrecke durch Ostholstein (die sogenannte “Hinterlandanbindung”) für den mit dem Tunnel stark zunehmenden Güterzugverkehr, und zwei neue Brücken über den Fehmarnsund, eine für Kraftfahrzeuge, eine für die Bahn (weil der “Kleiderbügel” mit den zunehmenden Verkehren überlastet wäre).

Folgendes könnte für den Leser vielleicht von Interesse sein:

  • Entgegen der wirtschaftlichen / politischen Interessenlage ist das Vorhaben in der heimischen Bevölkerung, vorsichtig ausgedrückt, umstritten. Es gibt zahlreiche Initiativen dagegen, z. B. “das Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung” –> KLICK
  • Die Kosten-Nutzen-Analyse, einige Jahre alt, wird immer mehr in Zweifel gezogen. Einen m. E. guten Artikel dazu gibt es in der “Neuen Zürcher Zeitung” –> KLICK  (Lesenswert von den Schweizern, die solche Baugeschichten kennen, nur geht es bei denen über Täler und durch Berge.)
  • Die Dänen sind davon ausgegangen, dass mit der Inbetriebnahme des Tunnels der Fährverkehr eingestellt wird. Die Reederei Scandlines hat im Frühjahr jedoch unmissverständlich erklärt, dass die Fähren auch dann weiter fahren werden –> KLICK  (Das ist vielleicht gut so, denn nicht jeder mag 19 km durch einen Tunnel fahren – meine Freundin jedenfalls nicht!)
  • Auf Fehmarn ist nahe Puttgarden für den Tunnelbau ein 15 ha großes “Sondergebiet” (man darf das auch “Industrieareal” nennen) geplant – und nach jüngsten Meldungen aus Berlin könnte die alte Brücke, der “Kleiderbügel”, abgerissen werden. Begründung: neben den beiden neuen Brücken benötigt man die alte dann nicht mehr und die würde nur Kosten verursachen. Gegen beide Planungen wehrt sich die Initiative “Bewahrt Fehmarn!” –> KLICK

Fehmarn_Initiativen_600R

Zwei Logos, die hier vielerorts kleben.

Ich weiß, in erster Linie interessiert uns das Thema hier in Ostholstein. Dieses Thema. Es gibt aber einige Milliarden-Bauvorhaben in unserer Republik, deren Sinnhaftigkeit sich nicht unbedingt erschließt. Beispielsweise können die Stuttgarter ein Lied davon singen. Wie steht es eigentlich um “S21”?

Muss denn wirtschaftlichen Interessen immer alles untergeordnet werden? Ist die Globalisierung so wichtig? Müssen wir nicht mehr auf die regionalen Strukturen, kaputte Straßen, marode Brücken, baufällige Schulen, usw., achten? Wie hoch ist unser Investitionsstau in diesen Bereichen? Bitte seid kritisch – wo auch immer – und meldet euch zu Wort, wenn nötig! Für Fehmarn wünsche ich mir: BEWAHRT FEHMARN!

Siehe dazu auch: „Bin mal wieder hier“ vom 12. April 2010

Nachtrag 14. August 2019: Der Tunnel bzw. die Fehmarnbeltquerung ist immer noch nicht im Bau. Die Dänen warten auf die Baugenehmigung aus Deutschland. Inzwischen wird für die Fertigstellung das Jahr 2028 angepeilt – vorausgesetzt das BVerwG gibt bald grünes Licht. Viele fragen sich wegen der Verzögerung auf deutscher Seite: Haben wir ein Metalitätsproblem? Anderseits schöpfen die Gegner des Bauvorhabens alle rechtlichen Möglichkeiten aus – und das dürfen sie. 

Nr. 303 (WP 243) ^.^

34 Kommentare leave one →
  1. Monika-Maria Ehliah permalink
    27. September 2014 23:03

    … bei allem was wir je getan haben, je tun werden,
    gibt es das erste Mal…
    Segen!
    M.M.

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  2. 27. September 2014 23:09

    Die Brücke ist wirklich total schön, aber deine anderen Bilder auch.

    LG Mathilda ☼

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    • 27. September 2014 23:43

      Moin,
      ja, ich habe mal ins Archiv gegriffen, dabei waren wir erst vor kurzem da, na ja, eigentlich öfters, aber ich kein aktuelles beim Fahren über die Brücke.
      Ich wünsche dir einen schönen Sonntag!

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  3. 27. September 2014 23:35

    Fehmarn ohne „Kleiderbügel“ geht gar nicht. Und richtig, ich fahre keine 19 km durch einen Tunnel! Nie nicht!

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    • 27. September 2014 23:46

      Dann wollen wir mal hoffen, dass die Fähren weiter fahren werden, vielleicht nicht mehr vier wie heute, aber wenigstens eine, damit du nicht durch den Tunnel must 😉

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  4. Harry permalink
    28. September 2014 00:09

    Die Brücke ist zwar weit von mir entfernt !
    Doch Frage , werde ich nur allein älter ?
    Grüsse übern Teich . Harry

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    • 28. September 2014 00:18

      Moin Harry,
      nee, ganz bestimmt nicht. Auch wenn du für dein Alter noch blendend aussiehst 😉 obwohl du älter als die Brücke bist – was natürlich nur an dem brasilianischen Klima und der gute Pflege liegt 😉 sieht man der Brücke das Alter an. Und das sieht nicht so aus, dass da ein bisschen Make-up helfen wird – Rost mit Farbe zu übertünchen ist auch suboptimal ….
      Wieviel Uhr habt ihr jetzt eigentlich? Hier ist Sonntag, kurz nach Mitternacht, und ich werde langsam mal ins Bett rollen.
      Viele Grüße!

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  5. Harry permalink
    28. September 2014 14:33

    Hallo Sven ,Zu Deiner frage im Moment noch 5 Stunden hinter Euch , wenn wir nun auf Sommerzeit umstellen sind es 4 STD und wenn Ihr dann auf Winterzeit stellt sind nur noch
    3 Std. jetzt ist es 9:30 Uhr und habe gerade gefrühstückt.
    Das Alter bezog sich auf Dich ! Deine geschätzte 1964 und Du 5 Jahre alt ?
    Kann aber auch sein , das ich es falsch verstanden habe . Nette Grüsse Harry
    PS würde mich ja gern in WordPress beteiligen doch bei uns kommt immer nur Englisch an.
    Spreche allerdings kein Englisch sondern Portugisisch und Deutsch.

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    • 28. September 2014 15:15

      Hallo Harry, du hast gefrühstückt, ich sitze jetzt bei meinem Sohn in Lübeck: Nachmittags-Kaffee. Und mit dem Alter: tatsächlich, 1964 war ich fünf. Bin ein guter 59er Weinjahrgang, und dazu noch ein Sonntagskind 😊
      Viele Grüße

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  6. 28. September 2014 19:38

    Schade, dass immer wieder die Natur außer acht gelassen wird und rein wirtschaftliche Gründe bevorzugt werden. Hier sind Brücken seltener, die Berge haben ihre Löcher bekommen 😉 Ich persönlich gehe gern mal über eine Brücke. Tunnel sind da ganz anders – durch die Abgase sind sie schnell dunkel gefärbt, irgendwie dreckig. Und die Leute, die Enge nicht vertragen, leiden ganz schön beim durchfahren…
    Soll man jetzt hoffen, dass die Bautätigkeit noch ein wenig bei euch warten wird?! So habt ihr es zumindest ruhiger. Bei uns ist es das Südbahnprojekt – auch nicht das schönste. Bahnen, die in kurzen Abständen durch die Wohngebiete fahren werden. Ganz schön stressig.
    Ich hoffe also, dass deine Bilder noch oft die bestehende Ruhe ausstrahlen werden 😀
    Viele Grüße aus dem Süden in den Norden

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    • 29. September 2014 06:18

      Moin Jürgen,
      ja. Also ich bin ja nicht gegen Fortschritt – wenn es denn einen Sinn ergibt. Und der Sinn hier für dieses Milliardenprojekt erschließt sich mir nicht. Falsch, den Sinn erkenne ich schon, richtig muss es heißen, dass für mich die immensen Investitionen in keinem Verhältnis zu den Vorteilen sehe.
      Auf der A1 hier vor und hinter der Abfahrt Ratekau (hinter HL) gibt es beispielsweise seit Monaten 2 Geschwindigkeitstrichter, auf ca. 100 m darf nur 60 gefahren werden, weil die Fahrbahn defekt ist. Und kilometerlang dürfen auf der A1 bei Lübeck Lkw über 7,5 t nur noch 60 fahren (hält sich nur keiner dran).. Ich könnte noch viele andere Beispiele allein hier aus der Region nennen. Wochenlange Sperrung der Rader Hochbrücke z. B. (über den NOK) für Lkw. Sollten wir nicht erst einmal die vorhandene Substanz in Ordnung bringen? Und dann erhalten? Wenn dann noch Milliarden übrig sein sollten – und wir nicht wissen wohin damit – dann können wir m. E. noch einmal über den Belttunnel und die Hinterlandanbindung und neue Brücken über den Sund reden.
      So, nun muss ich mich sputen, fahre gleich ein paar Tage jobmäßig in den Harz, Jugendherbergsfeeling inklusive 😉
      Bis später, schöne Woche und viele Grüße an „den See“ 🙂
      P.S.: Deinen Artikel vom Eicher-Treffen habe ich gelesen, Kommentar folgt in einigen Tagen.

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  7. 28. September 2014 21:01

    Ja, genau. Schliesse mich dem Kanarienvogel an!
    Tunnel sind düster und dunkel. Mag Brücken lieber…

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    • 29. September 2014 06:22

      Moin Tim,
      der „Kanarienvogel“ ist Jürgen vom Bodensee 😉
      Und stimmt, Tunnel mag nicht jeder. Aber Brücken, besonders wenn sie lang und hoch sind, auch nicht. Phobien halt. Oder so. Kennst du doch 😉
      Viele Grüße auf die „grüne Insel“ und lerne schön – nicht unbedingt von den Iren, sondern für dich 🙂

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  8. 29. September 2014 07:57

    Kanarienvogel?! Nix da! Das ist ein Papagei – eben nur ein Bildausschnitt von einer Brutkolonie 🙂

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  9. Peter permalink
    2. Oktober 2014 11:14

    Da gab es doch mal einen Film mit Stallone, wo er einen Rettungssanitäter spielte. Da war der Tunnel unter dem Hudson beschädigt. Der Tunnel ist mit 2,8 Kilometern nicht grade kurz – aber 19 Kilometer? Da hätte ich Probleme so lange die Luft unter Wasser anzuhalten, falls so ein Tunnelröhrchen aus irgendwelchen Gründen undicht wird und zum Aquarium umfunktioniert wird.
    Was Geldverschwendung angeht – da war gestern ein netter Bericht über die ganzen Regional-Flughäfen, die im übrigen nicht gebraucht werden. Wir haben ja auch einen. Und der kostet die Stadt jedes Jahr fast 20 Millionen, weil er nicht rentabel ist. Dortmund hat ein Defizit von 89 Millionen jährlich. Der Flughafen alleine macht schon fast 1/4 aus. Damit wird die Besetzung neuer Stellen in der Verwaltung boykottiert. Ich hatte mich ja bei der Stadt beworben – so wie es momentan aussieht ist aber wohl kein Geld für die Stelle mehr da. Dafür werden die paar Jobs beim Flughafen hoch subventioniert.

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    • 3. Oktober 2014 09:06

      Moin Peter,
      I’m back, aber auch gleich wieder wech: einfachmaike.wordpress.com 😉
      Den Film kenne ich – und es hat schon was, viele Kilometer „unter Tage“ zu fahren. Oder zu gehen, wie vorgestern in einem Bergwerk im Harz.
      Tunnel kenne ich zwar durch die ein oder andere Tour in den Alpen, aber irgendwie hatte ich immer ein „mulmiges Gefühl“ dabei und muss mir regelmäßig rein kopfmäßig sagen: „Alles gut, es passiert nichts“.
      Das mal als kurze „Wasserstandsmeldung“, bis die Tage, wir telefonieren.
      Viele Grüße

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  10. 3. Oktober 2014 08:11

    Moin,
    schön, ich möchte auch dass „Fehmarn bewahrt“ wird, doch lies mal hier:
    http://www.fehmarn24.de/lokales/fehmarn/wirbt-ostseeregion-4020354.html
    LG

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    • 3. Oktober 2014 09:08

      Moin,
      danke für den Link, bin gerade dabei mich ein bisschen durchzulesen. Das klingt alles nach der Aufforderung: „Der Tunnel kommt mit allem was dazu gehört, nutzt es als Chance und macht das Beste daraus“.
      Na denn.
      Bis die Tage, vllt. bis nachher 😉

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  11. Albert permalink
    3. Oktober 2014 08:24

    Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Den Spruch sollten mittlerweile alle kennen. Wer das Alte bewahren will muss damit rechnen demnächst alleine dazustehen. Scheinbar verlangt der Mainstream nach mehr, als uns das Alte zu bieten hat.

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