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Die Sache mit dem Wissen …

10. September 2020

Was weiß ich schon? Wenn ich ehrlich zu mir bin, dann nicht viel. Klar, ich habe einiges gelernt und lerne immer noch dazu – aber was davon ist wirkliches Wissen und was einfach nur Informationen? Und wie aktuell sind die noch? Irren ist bekanntlich menschlich und spätestens seit dem Beginn der Corona-Pandemie wissen wir, dass der Irrtum ein existenziell wichtiger Bestandteil der Wissenschaft ist: Aus dem Widerspruch heraus entwickeln sich neue Erkenntnisse. Hegel lässt grüßen.

„Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man alles,
was man in der Schule gelernt hat, vergisst.“

Von wem mag dieses Zitat stammen? Ich glaube, die Mehrheit der Leser wird antworten: „Ich weiß es, das ist von Albert Einstein.“ Alle denen muss ich leider sagen: „Ihr glaubt zu wissen!“ Klar, sucht/schaut man im Internet, findet man viele Bilder mit diesem Zitat und da steht dann meist Albert Einstein drunter. Und wer weiter sucht, der findet auch so etwas:

Mächtig prächtig. Doch wie mahnte schon einst unser ehemaliger Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck (1815 – 1898):

Tja, so ist das mit dem Wissen. Wir meinen und glauben. Erst recht, wenn es irgendwie logisch klingt. Das Zitat oben mit der Bildung, Einstein? – klingt gut, passt schon. Das beeindruckt auch mehr, als wenn da … Werner Heisenberg drunter stehen würde. Werner wer? Ja genau, wer kennt schon Werner Heisenberg? Dabei hat der, 11 Jahre nach Einstein, 1932, ebenfalls den Nobelpreis für Physik erhalten. Und das Bildungs-Zitat oben wird ihm zugeschrieben, gesagt 1949 anlässlich der 100-Jahr-Feier des Maximiliangymnasiums in München. Jedenfalls glaube ich eher diese Version, weil sie mir logisch erscheint – aber wissen? 😉

Was wir heute meinen zu wissen, ist das, was unser Verstand logisch schlussfolgernd als wahr einstuft und was vernünftig erscheint. Im Grunde genommen ist das so etwas wie ein sicherer (qualifizierter) Glaube, weil wir den Quellen vertrauen. Dem gegenüber steht der (allgemeine) Glaube im Sinne von unbewiesenen Überzeugungen. Oft ist das etwas, was wir bar jeder Vernunft glauben wollen. Die Religionen nehme ich davon nicht aus. Wer bspw. an die Inhalte der Bibel glauben möchte, nur zu. Vielleicht ist es genau das, was Einstein 1929 in seinem Beitrag in der Saturday Evening Post meinte:

„Imagination is more important than knowledge.
For knowledge is limited to all we now know and understand,
while imagination embraces the entire world,
and all there ever will be to know and understand.“

Fantasie ist wichtiger als Wissen. Denn Wissen beschränkt sich auf alles, was wir jetzt wissen und verstehen, während die Vorstellungskraft die ganze Welt umfasst und alles, was es jemals zu wissen und zu verstehen geben wird.

Zurück zum Internet: Wir werden heute mit Nachrichten und Kommentaren überflutet. Wer versteht das noch alles? Welche Quellen, welche Informationen sind vertrauenswürdig? Wie schnell kommen wir dahin, dass wir etwas nicht mehr logisch schlussfolgern können – zumal wenn es widersprüchliche Aussagen zu demselben Thema gibt? Dann fängt manch einer an zu glauben und gelangt zu Überzeugungen, zu Meinungen, die genauer betrachtet keiner Überprüfung standhalten. So werden Verschwörungstheorien geboren und die haben nicht unbedingt etwas mit Bildungsferne zu tun, sondern eher mit Orientierungslosigkeit.

Nein, eine Meinung zu haben, etwas zu glauben, heißt nicht, etwas zu wissen. Gut, wer sich mit diesem Wissen treu bleibt und sich eingesteht, heute nicht mehr seiner Meinung von gestern sein zu müssen. „Fides et ratio“ – Glaube und Vernunft – angesichts solcher Themen wie Corona, Brexit, Nawalny & Nord Stream 2, mag die Kohärenz beider Begriffe wichtiger denn je sein. Glaube ich 😉

Siehe auch: Meiers Rückblick 20/05 in 100 Sekunden

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14 Kommentare leave one →
  1. 10. September 2020 11:29

    Hallo Sven, jetzt muss ich mich doch endlich wieder mal aktiv bei dir melden, wo doch bei mir die Urlaubsberichterstattung schon auf Hochtouren läuft.
    WISSEN – is’n das, sagen doch heutzutage so viele Leute und meinen, dass sie mit ihrem Halbwissen, Viertelwissen oder Fast-gar-nichts-Wissen viel unbelasteter durch die Welt kommen und lauthals ihre Meinungen auf Demos rausschreien können.
    Lieben Gruß an die Küste von mir

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    • 10. September 2020 15:29

      Moin Clara. Die Anfänge deiner Urlaubsberichterstattung habe ich schon gelesen. Will gleich mal schauen, was es Neues gibt.
      „Wissen ist Macht, nichts wissen macht auch nichts!“ 😉 das war so einer der häufigen Sprüche meiner Tochter zu Zeiten ihres Studium. Meist wenn ich meinte, sie sollte sich doch besser um selbiges kümmern, statt usw. und so ….
      Zu diesem Beitrag hat mich die Nawalny-Geschichte animiert. Was wissen wir wirklich? Mein Blickwinkel ist da eher ein juristischer. Bisher gibt es nur sich widersprechende Aussagen von russischer und deutscher Seite. „Natürlich“ glauben wir, was in Deutschland von der Charité und der Bundesregierung veröffentlich wird. Die Russen sprechen hingegen von einer „Desinformationskampagne“, die als Vorwand für neue Sanktionen gegen Russland dienen soll. Genau das glauben wir eben nicht. Aber wissen? Im juristischen Sinne wissen wir nichts, haben lediglich einen mehr oder weniger begründeten Verdacht.
      Wenn jetzt einige Politiker und Kommentatoren fordern und vorverurteilen, dann weiß ich nicht, ob die überhaupt genau wissen, wovon sie reden.
      Grüße nach Berlin! Wo wir eigentlich am Wochenende wären, wenn die die dort geplante Hochzeitsfeier von unseren Bekannten stattfinden würde 😉

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      • 10. September 2020 15:46

        Hat sich das Ehepaar in spe getrennt oder wurde die Feier nur wegen Corona verschoben? – MC = MistCorona.
        Die großartigen Sanktionen gegen Russland schaden uns vielleicht mehr als den Russen, aber dass der Systemkritiker vergiftet wurde, steht für mich außer Frage. Die Staasi war ja in dieser Beziehung auch nicht zimperlich.
        Und tschüss!

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      • 10. September 2020 15:53

        Standesamt ist heute. Der Rest = MC

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  2. 14. September 2020 09:25

    dummheit ist nicht „wenig wissen“, auch nicht „wenig wissen wollen“, dummheit ist „glauben, genug zu wissen“. und wer nichts weiss, muss alles glauben, auch frei erfundene wahrheiten. das gefährliche an halbwahrheiten ist aber auch, dass immer die falsche hälfte geglaubt wird.

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    • 14. September 2020 09:53

      Moin geno, das stimmt wohl. Die sog. „Halbwahrheiten“ halte ich auch für sehr gefährlich, besonders wenn sie undifferenziert vermittelt werden. So manche Aussage versteht sich im Gesamtkontext anders als die Aussage selbst. Und das passiert häufig genug – das ist jedenfalls mein Eindruck.
      Grüße von der Ostsee!

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    • 16. September 2020 08:48

      Utz Claassen zum ‚Halbwissen‘:
      „Die Politik hat häufig unzureichende Kenntnisse über ökonomische Zusammenhänge und die Wirtschaft hat häufig ein unzureichendes Verständnis für politische Abläufe.“
      Schon Goethe wusste, dass „die Halbnarren und Halbweisen die gefährlichsten Menschen“ sind.

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      • Albert permalink
        16. September 2020 13:46

        „Es ist keine Schande nichts zu wissen, wohl aber, nichts lernen zu wollen.“ Sokrates, und das vor ~ 2400 Jahren 🤓😁📚

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  3. 14. September 2020 13:33

    „Was ist nicht weiß, macht mich nicht heiß“ hat meine Oma gesagt.
    Heutzutage wirst du „an der Nase herumgeführt“, dass „sich die Balken biegen“.
    Lauter Sprichwörter die besagen, dass das alles nichts Neues ist.
    Die Welt wollte wohl schon immer belogen und betrogen werden.
    Besser wird das dadurch allerdings nicht.
    Also, sag mir wem ich glauben soll und wem nicht.
    Ich glaube, ich vertraue einfach mal meinem gesunden Menschenverstand.
    Hev dat gaud!
    Brigitte

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    • 26. September 2020 10:57

      Moin Brigitte.
      Ja, die Sprüche kenne ich auch alle, von den Alten, von Oma und den Opas. Und stimmt, neu ist das alles nicht. Nur ist die Welt heute sicherlich transparenter und wer will, kann sich heute besser informieren. Bei aller Widersprüchlichkeit, die man dann erfährt.
      Aber ich stimme dir ohne Gegenworte zu: Auf den gesunden Menschenverstand vertrauen kann schon mal nicht verkehrt sein 😉
      Hev dat og gut, bis denne!

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  4. Albert permalink
    16. September 2020 13:40

    Ich halte es mit Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ /A.

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