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Antwort von Herrn Dingsbums – mit Hansa Rostock als Beispiel

13. April 2022

Heute Morgen hatte ich eine Mail in meinem Posteingang. Also nicht nur die eine, aber eine von einem, mit dem ich nun überhaupt nicht gerechnet hatte. Nämlich von Herrn Dingsbums. Natürlich heißt Herr Dingsbums nicht Herr Dingsbums, aber es gibt es Anekdote dazu, warum ich ihn so nennen darf. Und weil Herr Dingsbums mir ausdrücklich gestattet hat, seine Zeilen zu „verarbeiten, aber bitte nicht unter Klarnamen“, bleibt es beim Herrn Dingsbums.

Ich muss vorwegschicken, dass Herr Dingsbums vor 60+ Jahren in Mecklenburg, also in der ehemaligen DDR, geboren wurde, aufgewachsen ist und heute noch lebt. Wir kennen uns, ich sag‘ mal jobbedingt, seit rund 15 Jahren. Allerdings ist der Kontakt in den letzten Jahren aus gleichen Gründen beinahe eingeschlafen – bis so auf die ein, zwei Mails bzw. Anrufe im Jahr zu gegebenen Anlässen. Unser Umgang war und ist respektvoll professionell und deshalb sind wir über das Sie auch nie hinausgekommen.

Nun schreibt er mir, dass er meinen letzten „sinnierenden Artikel“ gelesen habe und er zwar kein „hochdekorierter Soziologe“ sei, dennoch etwas „aus der Sicht eines Ex-DDR-Bürgers darlegen“ möchte: (c&p)
„Wir haben bei uns zuhause nicht nur Ostseeluft inhaliert, sondern auch Russland. Für mich waren das 30 Jahre Russland in der Schule, Russland in der Ausbildung, im Studium und Russland später im Beruf. Dem hätte man sich nur entziehen können, wenn man sich ins Abseits gestellt und die Folgen in kauf genommen hätte. Wer so sozialisiert worden ist, hat automatisch eine andere Sicht auf Russland als jemand aus dem Westen. Für uns in der DDR war das Leben mit den Russen eine Imagination der Balance. Eine Balance zwischen dem Warschauer Pakt und der Nato. Heute im Kriegsfall setzen die alten Denkmuster wieder ein, die uns von Kindheit an eingetrichtert worden sind und die oft von den heute Alten an die heute Jungen weiter vermittelt worden sind. Das ist ein großer Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland. Diese Denkmuster können nicht so ohne weiteres durchbrochen werden, es bildet sich ein verzerrter Blick auf die Realität.“

Etwas schmunzeln musste ich bei seinem folgenden Beispiel aus der Fußballwelt: (c&p)
„Wem Hansa Rostock mit in die Wiege gelegt wurde, der wird nie ein Fan von Bayern München werden.
Als im Mai 1991 unsere Rostocker Fußballer erstmalig DDR-Fußball-Meister wurden, als letzter seiner Art, und eine Woche später auch noch das Double mit dem letztmals ausgespielten DDR-Pokal holten, fanden diese geschichtsträchtigen Ereignisse im Westfernsehen nur ein beiläufiges Interesse. Das hat uns damals irritiert und sehr enttäuscht. Was mit der der folgenden ersten Gesamtdeutschen Bundesliga-Saison 1991/92 im Herbst 1991 folgte, werden wir nie vergessen: In der Reihenfolge: Zuhause gegen Nürnberg 4:0 gewonnen, in München den Bayern die Lederhosen mit 2:1 ausgezogen und am dritten Spieltag zuhause Borussia Dortmund mit 5:1 vom Platz gefegt. Hansa Rostock war der erste Tabellenführer der Gesamtdeutschen Bundesliga.
Selbst wenn Hansa Rostock heute in der Zweitklassigkeit vor sich hin dümpelt: Das was war, das gehört zu unserer DNA. Das was war, das waren auch die Russen, die zu unserem Leben gehörten, mit denen wir gefeiert haben und wir waren froh, dass sie in der Zeit des Kalten Krieges zu unserem Schutz da waren. Das war unsere Wahrnehmung. Vielleicht waren die Westdeutschen genau so froh über die dort stationierten Amerikaner, Engländer und Franzosen.
Gerne sagt man, der Fußball ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Wenn das stimmt, dann wäre dieses Beispiel ein treffend erklärendes und verdeutlicht, warum viele Menschen in der ehemaligen DDR die Russen mit anderen Augen betrachten als die Menschen im Westen und warum gestern Abend kein Hansa-Fan traurig war über das Ausscheiden der Bayern aus der Champions-League.“

Ich sag‘ mal so: Das Beispiel hat was und das will ich auch nicht vom Tisch wischen. Was Herr Dingsbums jedoch nicht erwähnt hat: Hansa Rostock ist am Ende der Saison abgestiegen.
Es folgten noch einige Zeilen mehr, aber die würden den Rahmen hier vielleicht sprengen. Allein diese Zeilen sind, finde ich, hoch interessant. Und nein, ich hatte nie das Gefühl, Herr Dingsbums sei dem rechten Lager zuzuordnen, im Gegenteil:
„Nord Stream 2 war für uns ein wichtiges Projekt für Mecklenburg-Vorpommern und in Sachen Energieversorgung für die Bundesrepublik – ein fataler Fehler, wie wir heute wissen.“
heißt es in der Mail. Das klingt mir ziemlich nach SPD-Schwesig-Sprech. Egal, es ist wie es ist, bin ab morgen denn mal weg, vielleicht gibt’s noch ein paar Fotos … -> gibt es – wir lesen uns:

Schöne Ostertage!

896 [Inhaltsverzeichnis Sven Meier erzählt | Fotoblog]

10 Kommentare leave one →
  1. 14. April 2022 09:11

    Guten Morgen, weil ich es gerade gelesen habe:
    Aktuelle repräsentative Meinungsumfrage: Die Mehrheit, 55 Prozent der Deutschen, ist für eine Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine.
    Nur bezogen auf Ostdeutschland gibt es die Mehrheit nicht.
    Interessant, dass in erster Linie die Grünen-Anhänger für die Waffenlieferung sind, dieselben Grünen, die vor der BTW21 noch auf Plakaten mit „Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete“ geworben haben.
    Mit „Fußball als Spiegel der Gesellschaft“ kann ich mitgehen. Dazu ein interessanter Link, DLF Kultur aus dem Jahr 2012, es geht auch um die Ukraine:
    https://www.deutschlandfunkkultur.de/fussball-als-spiegel-der-gesellschaft-100.html
    Ich wünsche euch ebenso „Schöne Ostertage“ /S.

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    • 14. April 2022 10:52

      Moin. Ja, die Grünen sind sehr wandlungsfähig. An dem WE vor dem Kriegsbeginn haben sie sich hier in SH auf ihrem Parteitag auch noch gegen den Bau eines LNG-Terminals in Brunsbüttel ausgesprochen.
      Aber sage mal, zur Meinungsumfrage: Ich kenne nur die Zahlen aus dem aktuellen ARD-Deutschlandtrend und der sagt nichts über Ost- und Westdeutschland aus, nur Gesamt – oder habe ich etwas überlesen?

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  2. 14. April 2022 11:21

    Danke.

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  3. 14. April 2022 13:31

    Hallo aus dem Osten der Republik. :-))) Ich weiß nicht, ob wandlungsfähig das richtige Wort für die Grünen ist. Pragmatisch? Wäre das nicht besser? Haben sich die Grünen gewandelt oder hat sich die Realität gewandelt? Und zwar auf eine Weise, dass ein Weiter so auf keinen Fall möglich ist? Ich wundere mich allerdings über das sogenannte Verständnis der Ostdeutschen für die Russen. Es gab mal eine Zeit, da waren sie als Besatzer gesehen und das Wort „Russen“ wurde nur verächtlich ausgesprochen. Abgesehen natürlich vom Kader der SED. Klar, man war auf eine spezielle Weise mit den Russen verbunden. Aber deswegen hat man ja die Realität nicht ausgeblendet. An genau dieser Realität zerbrach nämlich die sogenannte Überlegenheit der Sowjetunion, die man in der Endlosschleife der Propaganda um die Ohren gehauen bekam. Es gab ja Möglichkeiten, wenn auch sehr begrenzt, hin und wieder einen Blick in das Leben der „ganz normalen“ Russen oder der einfachen, hier stationierten Soldaten zu werfen. So möchte niemand leben. Ehrlich. Da sollte die Brutalität der russischen Soldaten niemanden wundern. Unzählige Male wurde die Bevölkerung hier vor Deserteuren gewarnt (von der Garnison in Plauen), verbunden mit der Warnung, Vorsicht walten zu lassen, da sie bewaffnet seien. Vielleicht wollte man auch nur verhindern, dass irgendjemand den Deserteuren bei der Flucht half.
    Es ist nicht so, dass es damals oder auch nach der Wende einen allgemeinen Russenhass gab. Sie waren Teil des Lebens in der DDR und irgendwie immer präsent. Für mich gab es zwei Breaking Points, die meine Sicht auf die Russen entscheident änderten. Mit dem Krieg in der Ukraine nun eigentlich drei. Der erste war 1968, als die Armeen der Warschauer Vertragstaaten in der Tschechoslowakischen Volksrepublik einmarschierten, dabei rollten die Panzer auch durch das Vogtland. Zum Glück war man klug genug, die deutschen Soldaten der NVA nicht mitzunehmen. Ja, was sollte man als Kind davon halten, wenn die glorreiche Sowjetarmee in einem Land einfiel, um eine kommunistische Regierung abzusetzen! Nichts anderes war Alexander Dubček damals, der Vorsitzende der tschechischen kommunistischen Partei, aber eben eine Art früherer Gorbatschow. Da musste sich die Propaganda ganz schön verbiegen, um den Leuten den Einmarsch zu erklären. Damals wurde schon klar, wie hemmungslos da gelogen wurde. An diese Tage wurde ich seit dem Einmarsch der Russen in der Ukraine erinnert. Vieles lief ähnlich ab, manches hat sich wiederholt. Zum Beispiel die Tatsache, dass die Russen „um Hilfe gerufen wurden“. Damals war es eben der bulgarische Regierungschef Todor Schiwkow, der die Verbündeten bat, mit dem Spuk des Prager Frühlings Schluss zu machen. Sogar diese eigentlich längst vergessenen Namen sind da wieder aufgetaucht. Der nächste Breakimg Point war Gorbatschow. Auf einmal waren die Russen nicht mehr unsere besten Freunde. Da wurde sogar die sowjetische Presse zensiert und verboten. Am Ende stand die Freiheit und die Wiedervereinigung. Vieles sah ja viele Jahre nach friedlicher Koexistenz und Annäherung aus. Vielleicht haben wir auch nur die Zeichen nicht gesehen, Grosny, Aleppo. Vielleicht wollten viele diese Zeichen gar nicht sehen. Vielleicht haben wir sie nur nicht richtig verstanden.
    Zum Schluss muss ich einfach nur feststellen, dass es DEN Wessi oder DEN Ossi eigentlich nicht gibt. Es gibt Unterschiede in den Ansichten, aber damit sollte eine Demokratie leben können, davon lebt eine Demokratie. So lange die Ansichten nicht in Extreme münden, die in Gewalt enden, denn eins habe ich auch lernen müssen, Demokratie ist eine sehr fragile Gesellschaftsform, ist sie einmal zerstört, ist es vorbei mit allen Unterschieden in den Ansichten.
    Herzliche Grüße aus Sachsen

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    • 19. April 2022 10:17

      Moin.
      Herzliche Grüße aus Ostholstein zurück.
      Ja, in einem Punkt muss ich dir vollkommen Recht geben: DEN Ossi und DEN Wessi gibt es ganz bestimmt nicht. Für DIE Wessis kann ich behaupten, dass uns hier im „Echten Norden“ sehr viel von DEN Bayern unterscheidet, da verstehen WIR vieles auch nicht und vielleicht sind wir näher an unseren nordischen Nachbarn dran – nicht nur geografisch 😉
      Na ja, ich denke, da bin ich bei dir, dass jeder so seinen Blickwinkel auf dieselbe Realität hat. Und deshalb danke für deine Sichtweise aus Sachsen bzw. eines Sachsen.
      Wie angenehm ein Blick „über den Tellerrand“ sein kann, jedenfalls so mein Empfinden, habe ich Ostern in Dänemark erfahren:

      Moin. Nach Ostern …


      Und dann sage ich mir manchmal: „Meier, nun schalte mal einen Gang zurück. Ein bisschen mehr sutje piano wäre ganz gut!“ 😉
      In dem Sinne, wir lesen uns!

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      • 19. April 2022 20:16

        Man sollte sich in dem Zusammenhang auch noch mal in Erinnerung rufen, dass Putin so um 2000 herum zwischen den Zeilen bedauert hat, dass die Demokratiebewegung in der DDR nicht mit sowjetischen Truppen niedergeschlagen worden ist. Diese kaltschnäuzige Gewissenslosigkeit ist es doch, die Putin charakterisiert. Man möge verstehen, dass es aus meiner Sicht kein Verständnis dafür gibt, dass diesem Großmachtstreben nichts oder nur wenig entgegengesetzt wird. Putins Weltbild wird nicht von Menschen oder Menschenmassen bestimmt, sondern einzig und allein von Führerfiguren, die den Lauf Welt bestimmen. Stalin pur, sozusagen. Im Prinzip können wir dankbar sein, dass Putin
        1989 nur ein „kleiner“ KGB-Offizier war, das hat uns vor einem zweiten 17. Juni bewahrt. Ein Mann mit so einer Einstellung sollte nicht unterschätzt werden. In östlichen Ländern wie Polen oder Tschechien, in letzterem bin ich ja öfters, versteht man das auch viel besser.
        Herzliche Grüße aus Sachsen 🙂

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      • 20. April 2022 09:05

        Moin.
        Ich lerne gerade dazu. Und in diesem Kontext verstehe ich dich nur zu gut. Es ist sicher gut, einander zuzuhören um besser verstehen zu können.
        So wie du öfters in Tschechien bist, zieht es mich bisweilen zu unseren nördlichen Nachbarn. Bei der Gedenkfeier vorgestern an den Düppeler Schanzen (Deutsch-Dänischer Krieg1864) sagte einer der Redner, der dänische Oberst Fausing (ich zitiere aus der dänischen Zeitung):
        „Werte wie Freiheit, das Recht auf Selbstbestimmung, Mitmenschlichkeit, Gleichwertigkeit und Demokratie sind Werte, die die meisten von uns für ganz natürliche Grundpfeiler unserer Gesellschaft halten. Natürliche Grundpfeiler, die viele bis zum 24. Februar vielleicht fast als selbstverständlich angesehen haben.“
        Ja, „selbstverständlich“, es ist wohl so, das auch zu deiner Frage aus deinem Kommentar zuvor, dass sich „die Realität gewandelt“ hat und jetzt einen pragmatischen und weniger ideologischen Umgang damit erfordert. Dass die Grünen dabei eine 180 Grad Kehrtwende vollzogen haben und im Wahlprogramm genau das Gegenteil vom jetzigen Regierungshandeln steht, gehört sicher dazu. Um nicht missverstanden zu werden: Das prangere ich nicht an, das stelle ich für mich nur nüchtern fest. Dabei fehlt mir allerdings so ein bisschen die Erklärung, warum bei Waffenexporten jetzt „alles was schießt“ richtig sein soll und nicht mehr „nichts was schießt“? Und was bedeutet das für die Zukunft? Mehr Schutzverantwortung und weniger Raushalten?
        Unterwegs (Ostern) hatte ich im Autoradio von Robert Habeck gehört, dass „Pazifismus im Moment ein ferner Traum“ und bei den „Kriegsverbrechen zuzuschauen die größere Schuld“ sei. Das impliziert, dass die Waffenlieferungen die „kleinere Schuld“ ist. Denn auch diese Kausalkette wird nicht bestritten: Desto mehr Waffen der Westen liefert, desto länger wird der Krieg dauern, desto mehr Menschen werden sterben und desto mehr verdient die Rüstungsindustrie.
        Weißt du was? Ich halte es jetzt wie Bruno Jonas: „Meinungsfreiheit heißt frei von jeder Meinung zu sein.“ 😉 Es ist ein Dilemma 😦
        Viele Grüße ins Vogtland!

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      • 20. April 2022 12:45

        Der 24. Februar hat sicher etwas in uns allen ausgelöst. Denn wirklich vorstellen haben wir uns das nie können. Selbst nicht nach den Erfahrungen mit den Russen aus der Vergangenheit.
        Wenn man genauer hinsieht, ist die Wandlung der Grünen gar nicht so groß. Annalena Baerbock hat schon immer vor Nordstream 2 gewarnt und Robert Habeck hat kurz vor der Wahl noch die Ukraine besucht, u.a. auch den Donbas. Er kam zurück mit der sicher für alle überraschenden Forderung nach Waffen für die Ukraine. Er hat dort sicher Erkenntnisse gewonnen, von denen wir damals noch nichts ahnten. Ich kenne Habeck als jemanden, der seine Gefühle sicher nicht immer gut zurückhalten kann, aber er geht bestimmt nicht leichtfertig mit Worten um. Das Trio vom Bundestag, dass dieser Tage die Ukraine besucht hat, hat sich ähnlich geäußert. Gerade Hofreiter als eher Parteilinken würde man Kriegsrhetorik auf keinen Fall zutrauen.
        Ich habe eine Bekannte in Odessa, mit der ich beinahe täglich über Social Media kommuniziere. So bekomme ich die Stimmung der Menschen dort recht gut mit. Man konnte Tag für Tag verfolgen, wie sich Entsetzen zu Zorn und später zu Hass auf die Russen wandelte und immer weiter steigerte, Hoffnung vermischt sich hin und wieder mit Resignation. Aber der Patriotismus der Leute ist echt. Die sehnen sich nach nichts mehr als nach dem Ende des Krieges, nach Frieden, aber nicht unter Putin. Sie sehen täglich, stündlich, was die Russen in ihrem Land und mit den Menschen anrichten. Ich muss gestehen, diese meist nur kurzen Gespräche bewegen mich sehr, oft genug fühle ich nichts anderes als Ohnmacht, weil man nicht mehr tun kann.
        Was würde mit den Menschen in der Ukraine ohne Waffen geschehen? Putin hat Land und Volk das Existenzrecht abgesprochen. Er hat die Einheit, die für das Massaker in Butscha verantwortlich ist, geehrt und ausgezeichnet. In meinen Augen zieht er gerade die Verdienste der Sowjetunion im 2. Weltkrieg (trotz Stalin) in den Dreck.
        Pazifismus heißt ja nicht, dass man nicht Stellung beziehen kann. Der Vietnam-Krieg ist Dir sicher auch noch ein Begriff. Was hätte das kleine Land ohne Unterstützung, also auch Waffenlieferungen, (in dem Fall aus der Sowjetuion) tun sollen? Die Ziele beider Kriege sind sicher unterschiedlich, aber in der Grausamkeit ähnlich.
        Ich schätze Deine Meinung immer sehr, ist ja gut, wenn man darüber reden kann. Dann tun sich auch unterschiedliche Sichtweisen auf. Im Laufe der Pandemie lief ja vieles anders, da konnte man mit gewissen Leuten kein vernünftiges Wort mehr sprechen. Habe da auch schon den einen oder anderen Kontakt abgebrochen. :-))) Hatte einfach keinen Sinn mehr. Wen gewissen Leuten die Argumente ausgehen, werden sie persönlich. Das haben sicher viele so erlebt.
        Mit herzlichen Grüßen aus dem Vogtland

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      • 21. April 2022 09:13

        Moin Eberhard
        Deine Zeilen sind …, nee, ich sag‘ mal, sie beeindrucken mich sehr.
        Zu deinem letzten Absatz: Ja, den ein oder anderen Kontakt habe ich auch abgebrochen. Für mich ist wichtig, dass es einen Konsens über das allgemein Anerkannte gibt.
        Will sagen: Allgemein anerkannter wissenschaftlicher Konsens ist bspw., dass sich unser Klima wandelt, egal wie hoch man nun den anthropogenen Anteil beziffert, und dass wir eine Pandemie haben, oder hatten, falls jetzt die epidemischen Merkmale erfüllt sein sollten. Ich bin da nicht mehr so ganz auf dem Laufenden 😉 Und Konsens ist ja wohl auch, dass die Russen in der Ukraine einen Angriffskrieg führen und es keinen namhaften Historiker gibt, der geschichtsvergessen die Ursache dafür in der EU oder der NATO findet und das Selbstbestimmungsrecht einzelner Staaten bestreitet.
        Meine These ist: Wenn es keinen Konsens über den kleinsten gemeinsamen Nenner gibt, dann sprechen wir auch nicht dieselbe Sprache und dann ist eine Verständigung kaum möglich, weil der eine den anderen nicht versteht bzw. nicht verstehen will. Gut, dass wir einander verstehen wollen, was ja nicht heißt, dass wir immer derselben Meinung sein müssen oder dieselben Rückschlüsse aus einer Situation ziehen. Für meinen Teil kann ich nur erklären, dass ich viel für mich aus deinen letzten Kommentaren hier mitgenommen habe.
        Zu AB & RH: OH JA! Als Habeck sich im letzten Jahr nach seinem Ukraine-Besuch für Waffenlieferungen aussprach, habe ich gedacht „UPS! Robert, was machst du da?“ Verbessere mich gerne, aber mir ist kein namhafter Grüner bekannt, der sich seinerzeit an seine Seite gestellt hätte. Im Gegenteil. Unter einem gewissen Druck hat er seine Aussage dann auf „Verteidigungswaffen“ abgemildert. Und zur BTW haben die Grünen dann auch, gemäß ihres Wahlprogramms, auf Plakaten geworben: „KEINE WAFFEN IN KRIEGSGEBIETE“. Dennoch ist mir Habecks Aussage nachhaltig in Erinnerung geblieben, denn ich habe ihn in seinen Zeiten als SH-Minister nie als „Dampfplauderer“ wahrgenommen, sondern stets als besonnenen Realisten mit einem Hang zum Pragmatischen. Na ja, und als Bearbock sich als neue Ministerin gegen North Stream 2 aussprach, ich weiß, vorher auch schon, aber dann eben als Ministerin, war für mich schon ein Krach in der Ampel vorprogrammiert. Zur Geschichte gehört auch noch, dass sich die SH-Grünen wenige Tage vor Kriegsausbruch gegen ein LNG-Terminal in Brunsbüttel ausgesprochen haben, weil sie keinen Bedarf für amerikanisches Fracking-Gas gesehen haben und das nun überhaupt nicht haben wollten.
        Ja, der 24. Februar hat vieles bis alles verändert. Heute streitet die Ampel darüber, wie „schwer“ die Waffen sein dürfen, die wir in die Ukraine liefern und selbst die Grünen sind froh über jeden Kubikmeter Fracking-Gas, den wir irgendwo auf der Welt einkaufen können, nur um nicht mehr auf russisches Gas angewiesen zu sein und die Wirtschaft nicht den Bach runter gehen zu lassen. Jedenfalls fügt sich das für mich so zusammen.
        Ich erlaube mir einen Punkt noch zu erwähnen, der mich umtreibt: Kennst du Christopher Clark, den australischen Historiker, sein Buch „Die Schlafwandler“? Clark beschreibt in seinem Buch, wie Europa 1914, einem Schlafwandler gleich, in den 1. Weltkrieg taumelte. Sinngemäß heißt es dort irgendwo, dass es in der Hand eines jeden wichtigen Akteurs eine Tatwaffe gab und von daher der 1. Weltkrieg eine Tragödie war und kein Verbrechen. Bezogen auf das Sarajevo-Attentat kenne ich das als „Sarajevo-Incident“, als den Zündfunken, der einen schwelenden Krieg endgültig zum Ausbruch bringt. Mein Sorge heute, 2022 ist, dass ein „Immer mehr“ an Waffenqualität genau dieser Zündfunke sein könnte. Erst hieß es: Keine Waffen, nur Ausrüstung, dann hieß es leichte Waffen, dann Verteidigungswaffen, jetzt reden wir über schwere Waffen und wann wieder über eine Flugverbotszone? Wie schnell kann dabei die „Demarkationslinie“ der NATO überschritten werden? Und dann?
        Sinngemäß hat der olle Marx mal, in Anlehnung an Hegel, gesagt: „Geschichte wiederholt sich. Das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce. Ja ja, der 1. Weltkrieg war eine Tragödie ….
        Viele Grüße aus Ostholstein ins Vogtland!

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      • 21. April 2022 13:17

        Und ein Philosoph steckt sicher auch in Habeck. 🙂 Deswegen hat er es oftmals etwas schwer gegen Annalena Baerbock, die doch eine sehr direkte Sprache bevorzugt.
        Als Habeck kurz vor der Wahl von den Waffen für die Ukraine sprach, war meine Reaktion genau wie Deine. Auch in Bezug auf Nord Stream 2 und Fracking Gas. Baerbock war schon immer dagegen, also hat man das mehr oder weniger einfach nur zur Kenntnis genommen. Aber seitdem hat sich eben eine Menge geändert, so viel, dass man es kaum mehr richtig überblicken kann. Dass Wahlversprechen auf Grund einer veränderten Situation nicht mehr verwirklicht oder noch nicht verwirklicht werden können, finde ich akzeptabel. Zum Glück sind die Grünen, zumindest der überwiegende Teil, pragmatischer als vielleicht befürchtet. Wäre das Wahlversprechen, keine Waffen in Krisengebiete zu schicken, wirklich zu halten gewesen? Zur Zeit der Wahl habe ich dieses Ziel auch für richtig befunden. Dieser 24. Februar hat viel, sehr viel verändert. Wie gesagt, ich nehme auch die Stimmung in Tschechien wahr, wo die Geschichte ja anders verlief als in Deutschland. Polen, in Europo in Misskredit geraten und das sicher nicht zu Unrecht, nimmt auf einmal viele Flüchtlinge aus der Ukraine auf. Man nennt sie dort Gäste. Tschechien liefert Panzerfahrzeuge. Die Erfahrungen der osteuropäischen Länder (eigentlich auch der DDR) mit den Russen sind andere.
        Grenzen sind schnell überschritten. Despoten wie Putin brauchen dafür keine Anlässe oder Gründe. Und wer weiß, ob nicht löngst False Flag Unternehmen geplant sind. Es wäre jedenfalls nichts Neues.
        Das Buch von Christopher Clark kenne ich leider nicht, ich hab’s mir aber schon mal notiert. 🙂 Zu bedenken wären aber sicher auch die Erfahrungen aus dem Münchner Abkommen. Da hatte man auch noch die Hoffnung gehabt, man könnte den Frieden in Europa und der Welt sichern, indem man Hitler einen Teil der Tschechoslowakei zum Fraß vorwarf. Wir wissen heute, es lief anders.
        Man kann die Situation von vielen Seiten betrachten. Das Leiden der Menschen in der Ukraine aber geht unvermindert weiter. Auch angesichts dieser Bilder ist es verdammt schwer, eine Entscheidung für oder gegen etwas zu treffen, die frei von Emotionen ist.
        Was ich aber toll finde, ist, dass da ein Zitat von Marx aus dem Westen kommt. :-)))
        Wenn nichts dazwischen kommt, werde ich nächste Woche auch mal wieder eine Stippvisite im Norden machen.
        Herzliche Grüße aus dem Vogtland

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