Zum Inhalt springen

Meiers Rückblick 21/06 in 100 Sekunden

1. Juli 2021

Juni 2021: Heute (30. Juni) werkeln zwei Handwerker in meiner Wohnung. Das ergibt Zeit für meinen Juni-Monats-Rückblick: Fußball Europameisterschaft 2020, umständehalber verlegt auf dieses Jahr. Oder wie es Leon „Spread Love“ Goretzka auf den Punkt brachte (PK am 21. Juni): „Die Stimmung ist außergewöhnlich. … Nach der Situation der vergangenen Monate im Land freut es uns sehr, dass wir endlich wieder 82 Millionen Bundestrainer haben und nicht mehr 82 Millionen Virologen.“

Die Experten-Vielzahl bescherte ARD & ZDF zu den Spielen bisher Einschaltquoten wie schon lange nicht: Teils über 25 Millionen Zuschauer mit einem Marktanteil von über 75 Prozent. Die zweitschönste Nebensache der Welt verbindet, auf dem Boulevard herrscht Hochkonjunktur und alles andere scheint nicht mehr wichtig. Wahrscheinlich haben die Union und die Linken ihre Wahlprogramme deshalb ganz bewusst erst jetzt verabschiedet, weil nun kaum jemand mehr so genau hinschaut. Gleiches gilt für das Klimaschutzgesetz 2.0. Und angesichts – noch – niedriger Inzidenz-Zahlen – in Deutschland – war Corona sowieso gestern. Man verzeihe mir meine Ironie.

Ja, der Fußball schreibt seine eigenen Geschichten. Schöne, überraschende und spektakuläre, leider bisweilen auch hässliche. Hier eine witzige, als Christiano Ronaldo zu Beginn einer PK die gesponserten, jedoch ungesunden Cola-Flaschen zur Seite räumte, was natürlich eine Steilvorlage für Interpretationen im Netz war.

Die für mich emotionalste Geschichte ist jedoch die um den vielleicht besten Spieler der Dänen, um Christian Eriksen. Ich denke, dazu muss man keine dänische Brille aufhaben, selbst wenn ich die aus nachbarschaftlicher Verbundenheit bisweilen trage. Als der Spieler von Inter Mailand am 12. im Spiel gegen Finnland in der 43. Minute ohne Fremdeinwirkung mit einem Herzstillstand zusammenbrach und auf dem Rasen reanimiert werden musste, war (nicht nur) die Fußballwelt in großer Sorge. Viele lange dramatische Minuten zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Leben und Tod. Jeder spürte in dem Moment, wie viel Wichtigeres es als den Fußball gibt. Christian Eriksen wurde ins Leben zurückgeholt. Es geht ihm heute wieder den Umständen entsprechend gut – mit einem implantierten Defibrillator in der Brust.
Neun Tage später war vor diesem Hintergrund das für das Weiterkommen entscheidende Spiel gegen Russland Emotionalität pur, allein die Fernsehbilder sprachen für sich. Im heimischen Parken von Kopenhagen feierten die Dänen sich, das Leben und den Fußball. We are red, we are white, we are danish dynamite. Irgendwie erinnert mich das an 1992. Fortdauernde Gesänge und immer wieder die Mutter aller Fußball-Hymnen: Walk on, walk on, with hope in your hart. And you’ll never walk alone!
Gänsehautmomente. Die treiben selbst gestandenen alten Säcken schon mal etwas Feuchtes in die Augenwinkel. Bereits vor dem Spiel waren die Dänen die Gewinner, die der Herzen. Dass sie nach einem aufregenden Spiel auch noch als Gewinner vom Platz gingen, hat den Abend perfekt gemacht. Dänische Brille hin oder her: Keinem habe ich so sehr den Einzug in die K.-o.-Runde gegönnt wie den Dänen. Und aktuell geht die Reise sogar noch weiter ins Viertelfinale. Wenn es einen Fußball-Gott geben sollte, dann hat der einen super Job gemacht.

Die deutsche Mannschaft durfte auch reisen: Erst ins Wembley-Stadion zum Klassiker gegen England [dazu ein Beitrag vom 28. Juni 2010], danach nach Hause. Mit einem Schlussakkord für (den heute Ex-) Bundestrainer Jogi Löw: It’s time to say goodbye! Wieder fragen die Couch-Trainer der Nation, warum dieses Lied nicht schon vor Jahren gespielt wurde? Stattdessen galt das Prinzip Hoffnung: Wir werden das schaffen (2018). Man hoffte auf zweimal sieben Spiele – diese EM und die letzte WM 2018 – tatsächlich gab es für Löws Spieler insgesamt nur sieben Spiele. ARD-Mann Marcus Bark meint: Gut, dass es vorbei ist. Ich nicke. Löw hat unbestritten seine Verdienste um den deutschen Fußball – aber die letzten Jahre …, na ja, die sollen die vielen Experten beurteilen. Ab heute ruhen die Hoffnungen jedenfalls auf dem neuen/zukünftigen Trainer Hansi Flick.

Last but not least – die beiden Handwerker scheinen von Dreier-, Vierer- und Fünferketten genau so viel zu verstehen wie von ihrem Fach. Vielleicht sind sie deshalb noch nicht fertig und so habe ich noch Zeit:

No Comment PICTURES

Das war’s, ich tauche wieder ab in mein Sommerloch.
Nächster Halt: Sonntag, 1. August.
Bis dahin, bleibt munter, sauber & negativ 😉


836 [Inhaltsverzeichnis Sven Meier erzählt | Fotoblog]

10 Kommentare leave one →
  1. 1. Juli 2021 11:23

    Das mit dem gut funktionierenden Fußballgott für die Dänen sehe ich auch so. – Und unser Bundestrainer wollte ja eh aufhören – ein paar Tage früher oder später ist mir persönlich vollkommen egal – ich bin da emotionslos.

    Gefällt 2 Personen

    • 2. Juli 2021 08:14


      Moin Clara!
      Fußball und emotionslos, das geht doch gar nicht 😉
      Ja stimmt, der ewige Bundes-Jogi wollte eh aufhören. Vielleicht kam diese seine Erkenntnis nur etwas spät? Na ja, nun drücke ich meinen dänischen Nachbarn beide Daumen – und es gibt wahrlich Wichtigeres als dass zweiundzwanzig Männer um einen Ball streiten.
      Ich werde gleich bei dir mal reinschauen, hoffe aber, dass alles im Lot ist.
      Und tschüss, bin dann mal wieder weg, bis zum 1.8.

      Gefällt 1 Person

  2. 1. Juli 2021 18:41

    Vermelde, dieser Beitrag wird in meinem Reader nicht angezeigt, nur der von heute Morgen aus dem Fotoblog. Aber die Mailbenachrichtigung hat geklappt.
    Fußball, EM? Du kennst meine Einstellung dazu. Mein Kollege Bedürftig meint: „Gut, dass sie ausgeschieden sind!“ Nicht, weil er der deutschen Mannschaft keinen Erfolg gegönnt hat, sondern gut, dass sie aus diesem Pandemie-Turnier raus sind, damit sich die Medien und die Gesellschaft wieder den wirklich wichtigen Themen widmen können. Wenn ich heute in einer WHO-Meldung lese, dass in Europa die Infektionszahlen wieder steigen und das auch mit dem Fußball-Turnier in Verbindung gebracht wird, dann sollten wir auch in Deutschland mindestens besorgt sein. Also: „Gut, dass sie ausgeschieden sind!“, weil so manches potenziell virusverbreitendes Event ausfallen wird.
    Grüße in dein Sommerloch

    Gefällt 2 Personen

    • 2. Juli 2021 08:35

      1. Meldung angekommen, k. A. woran das liegt.
      2. Jedem seine Meinung.
      3. Ja, die Sorgen teile ich, ohne in Panik zu verfallen. Wie mein Doc mir erklärt hat: Weiter vorsichtig sein, 90prozentiger Impfschutz bedeutet, dass sich einer von zehn trotzdem – und damit auch andere – anstecken kann. Und so weiter.

      4. Ich habe mir gerade mal die aktuelle Kurve für GB angeschaut. Wahnsinn. Und dann wollen die für die kommenden Spiele > 60.000 Leute ins Stadion lassen. Verstehe die Briten wer will, ich nicht!

      Gefällt 2 Personen

      • 2. Juli 2021 12:18

        Nicht nur das. Johnson und seine Leute argumentieren, dass trotz wieder hoher Inzidenzzahlen vergleichsweise wenig Infizierte in die Kliniken müssen oder gar sterben. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass sie durch die Lockerungen Tote billigend in Kauf nehmen. Sie sagen: „Mit dem Virus leben lernen“ und appelieren an die Eigenverantwortung. Der Preis dafür könnte hoch sein und ich bin froh, dass solche Forderungen in Deutschland bisher nicht mehrheitsfähig waren.

        Gefällt 1 Person

      • 3. Juli 2021 07:50

        Drei Gedanken dazu:
        1. Ich denke an St. Petersburg, Russland, mit so hohen Zahlen, auch Toten, wie nie zuvor, wo der Fußball, nicht nur, aber auch, seinen Anteil daran hat. Aber Russland hat eine viel niedrigere Impfquote – offensichtlich, weil die Russen impfskeptisch sind – als Großbritannien.
        2. Wenn Johnson & Co. Recht behalten und dort kaum mehr Infizierte in die Kliniken müssen, also ein auch bei uns immer genanntes Argument wegfällt, nämlich die Überlastung des Gesundheitswesens, dann wäre ja schon viel erreicht und vielleicht ist dann der Vergleich mit einer schweren Grippezeit statthaft, mit der wir ja genau so leben müssen. Aber eine schwere Grippe möchte ich auch nicht haben. Einmal mit über 40 Fieber, viele Jahre her, reicht mir.
        3. „Mit dem Virus leben lernen“ – dazu fällt mir ad hoc Schweden ein, der „schwedische Sonderweg“. Schweden hat nach offiziellen Angaben bisher knapp 15.000 Corona-Tote. Wir in Deutschland haben aktuell rund 91.000, aber auch ca. achtmal so viele Einwohner wie Schweden. Oder genauer, pro 1 Mio. Einwohner hat Schweden 1.462 und wir 1.094 Tote, also 368 oder rund ein Viertel weniger. Von Long Covid usw. will ich gar nicht reden. Nur zum Vergleich, weil ich die Seite gerade auf habe: Großbritannien hat bis heute offiziell 1.892 Tote pro 1. Mio. Einwohner, Frankreich 1.647, Italien 2.110 und meine dänischen Nachbarn 438. Wenn ich mir dazu die weiteren Parameter anschaue, Infektionsraten und so, dann sind das sehr aufschlussreiche Zahlen die Rückschlüsse auf die Maßnahmen der Regierungen zulassen. Sehr interessant. Im Ergebnis kann ich nur sagen, dass wir in Deutschland sicher nicht alles richtig gemacht haben, bei aller Kritik aber so viel auch nicht falsch.
        Das wollte ich dir nur mal erzählt haben. Und tschüss!

        Gefällt 1 Person

  3. 1. Juli 2021 23:09

    Ich bin auch froh darüber, dass diese Europameisterschaft für unsere Kicker vorbei ist. Renkt sich doch somit wieder der Hausfrieden ein 🤣.
    Mir hat es Spaß gemacht, z. B. den Schweizern zuzusehen und ihnen die Daumen zu drücken. Auch andere Mannschaften waren sehenswert. Ob aber der Hansi Flick den Karren aus dem Schlamassel zu ziehen vermag, bleibt noch abzuwarten. Aber neue Besen sollen ja bekanntlich gut kehren 🤣.

    G. l. G. Jochen

    Gefällt 1 Person

    • 2. Juli 2021 08:45

      Moin Jochen.
      Gelobt sei der Hausfrieden 😉 Da bin ich klar im Vorteil, meine Freundin und ich haben getrennte Wohnungen – und um einen „berühmten“ Berliner zu zitieren: „Und das ist gut so!“ 😉
      Nee, im Ernst, Mir hat das Auftreten der Schweizer Mannschaft auch gut gefallen und vielleicht hatte der oft zitierte „Fußballgott“ ja beim Sieg über die – m. E. teils arrogant auftretenden – Franzosen auch seine Hand mit im Spiel?
      Mit seeehr viiiel Glück könnte das Finale tatsächlich Schweiz gegen Dänemark lauten. Ich erinnere nur an 1992 😉
      Viele Grüße, bin dann mal wieder weg, bis zu 1.8.

      Gefällt 1 Person

      • 2. Juli 2021 10:05

        Da kann man mal wieder sehen: Ohne Fleiß keinen Preis !
        Nicht, dass die Franzosen faul gewesen wären, aber das Glück (und das hat beim Elfer nun einmal Vorrang) läßt sich nicht vorhersagen oder kaufen 👍!
        Nicht mit Millionen und schönen Namen 🤣.

        G. l. G. Jochen

        Like

Trackbacks

  1. kein Tor, eindeutig kein Tor! | Sven Meier erzählt

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..